Verspätete Kenntnis eines bekannten Vorgangs

Also da sind wir wieder einmal beim Spiel mit den Rostocker Intendanten: Da kommen Menschen aus dem Rathaus um festzustellen, welche Vergehen ein Intendant verwaltungstechnisch begangen haben könnte, natürlich zum Nachteil der Stadt. In Wirklichkeit gab es aber keine Vergehen, man tanzte nur nicht nach der Pfeife des jeweiligen OB. Die Intendanten verlassen mit einer Abfindung das Theater, einer Abfindung, die per Gericht erstritten wird und letztlich das Budget des Theaters über Jahre belastet. Zuletzt so geschehen mit dem Intendanten Piontek, seinem Ballettmeister und Bühnenbildner und anderen. Der Grund: Der Intendant tanzte nur nicht nach der Pfeife des „Einen von Uns“, wie seine Anhänger den OB Methling gern nennen!
Nun ist es wieder so weit: Die beiden Herren Leonhard und Rosinski machen wahrscheinlich nicht das, was der OB wünscht: Sie plädieren einfach für ein Vierspartentheater und nicht nur für das Orchester und das Schauspiel, ein Lieblingsszenario dieser Stadt in Gestalt ihrer Bürgermeister. Das Orchester -die teuerste Sparte an diesem Hause und ohne solidarische Ambitionen zum Rest des Theaters- möchte gern als Sieger aus der langjährigen Vernichtungsaktion des Volkstheaters hervorgehen! Schon im Jahre 2000 überreichte der Orchestervorstand der Stadt ein eigenes „Strukturpapier“, in dem genau die heutigen und in die Öffentlichkeit lancierten Vorhaben beschrieben sind.
Woher kommt ein solches Ansinnen in der Stadtverwaltung (Orchester/Schauspiel)? Es wäre doch einmal interessant festzustellen, warum seit 1993 tief in der Verwaltung die Ansicht besteht, das traditionsreiche Theater zu zerschlagen und das Orchester in großer
A-Statusformation neben dem Schauspiel zu erhalten! Dazu ein Beispiel: Am 31.12.1993 fand die Premiere von „My Fair Lady“ statt. Wenige Tage zuvor wurde ein Interview des neuen Oberbürgermeisters Prof. Schröder (Vater des Staatssekretärs Sebastian Schröder im Ministerium für Bildung Wissenschaft und Kultur in MV) veröffentlicht, in dem er auf die Frage, wie es denn mit dem VTR weiterginge, antwortete, dass das Orchester und das Schauspiel bleiben sollten, alles andere müsste gehen. In der oben erwähnten Premiere, die auch Prof. Schröder besuchte, zeigten wir dem Premierenpublikum am Ende des Stückes einen kleinen Sketsch (vom damaligen Interimsintendanten Petersen abgesegnet), was noch auf der Bühne zu sehen wäre, wenn Chor, Tänzer und Solisten nicht zum Verbeugen erscheinen würden! Später wurde kolportiert, dass Prof. Schröder bei Amtsantritt ein entsprechendes Papier vorfand und dieses als beschlossene Sache betrachtete! Wer im Rathaus hatte ihm da ein „Ei ins Nest“ gelegt?
Leider wurde dieses Ei nun von OB zu OB weitergereicht und der Vernichtungsfeldzug nahm immer mehr an Fahrt auf bis zu Schließungsplänen des Herrn Pöker! Damals konnte man noch öffentlich eine solche Tat verhindern. Die psychologische „Kriegsführung“ war und ist auch nicht zu verachten: In bestimmten Abständen wurden in der Presse Horrormeldungen der Verwaltung wiedergegeben, gestern z.B. die Meldung vom täglich 50 000 € verschlingenden Theater. Erst einmal raushauen und Punkte beim Rostocker Steuerbürger sammeln! Es ist das beredte Beispiel wie sensibel der Bürgermeister mit seinem Theater umzugehen versteht! Kein Publikum geht in ein Theater, das seit 20 Jahren mit Negativschlagzeilen bombardiert wird, teilweise unterstützt von alten Kritikrentnern!
Also: der Wahnsinn hat Methode und es scheint, dass Jeder Miesmacher seine Aufgabe hat: ein kundiger Bürger der Bürgerschaft, ein Grüner Jaeger, der schon früh einstreute, dass es in Zukunft nur ein Orchester und ein Schauspiel geben wird, ein Herr Nissen, der meinte, man solle mehr volkstümliches Theater spielen, ein OB, der das Theater schließen will usw.!
Nun auch noch der Krampf mit Schwerin! Ja ich bin gegen eine Fusion, ich bin für Selbständigkeit und ein Vierspartentheater (ein echtes), doch bei der diktatorischen Haltung der „Schweriner Weisen“ wird man wohl mit geballten Fäusten dastehen und zusehen dürfen, wie das einstige Welt-Theater Rostock zerstört wird. „And the Winner is“….!

8 Gedanken zu „Verspätete Kenntnis eines bekannten Vorgangs

  1. Lieber Herr Arlt, ist der Bürgermeister an der Misere des städtischen Theaters schuld? Irgendwie impliziert Ihr Beitrag diesen Gedanken. Seien wir doch mal ehrlich: Das Theater schafft es seit Jahren nicht, trotz jährlich auskömmlicher Finanzierung und mit regelmäßig von der Bürgerschaft abgesegneten Nachfinanzierungen, aus seiner (hausgemachten) Misere herauszukommen. Das so traditionsreiche Volkstheater mit seinen 4 Sparten ist im Sterben, so traurig diese Tatsache auch ist. Das Theater darf / muß auch als wirtschaftlicher Betrieb betrachtet werden – scheinbar nur von den dort Verantwortlichen nicht. „Kunst ist schön, macht aber auch viel Arbeit“, sagte einmal der Komiker Karl Valentin. Nur – die Situation des Volkstheaters ist nicht mehr komisch. Sinkende Besucherzahlen, sinkende Einnahmen und kein wirkliches Gegensteuern der hochdotierten Theaterverantwortlichen. Andere Theater sind da kreativer, flexibler, engagierter. Das Spielplanangebot geht am Interesse des Publikums vorbei, mit den verschiedensten Sonderangeboten (Theaterbus – hieß früher mal „Mecklenburger Besucherring“, ermäßigte Eintrittspreise für diesen und jenen etc.) wird versucht, das Publikum (zurück) ins Theater zu locken. Doch es läßt sich nicht locken, wenn man sich die Besucherzahlen anschaut. Grabenkämpfe und Besitzstandswahrungen einzelner Sparten gehören heute (scheinbar) zur Tagesordnung. Jedes Drama auf der Bühne hat mal ein Ende – nur am Volkstheater nicht. Tragfähige Lösungen für das Volkstheater gehen nur im konstruktiven Miteinander aller Verantwortlichen aus Stadtverwaltung, Bürgerschaft und Theater. Die Zeit für diverse Spielchen sind längst vorbei – diese Erkenntnis sollte bei allen inzwischen angekommen sein.

    • Kunst als wirtschaftlicher Betrieb? Wer diese Forderung aufmacht, denkt Broadway, große Musicalproduktionen, Holiday on ice, Roland Kaiser, Frühlingsfest der Volksmusik usw. usf. Das alles ist NICHT gemeint, wenn auf diesem Blog von „Theater“ gesprochen wird als immanenter Bestandteil von „Kunst“. Die sich zu keiner Zeit selbst finanzieren konnte und kann. Schon für de Vorzeit gilt: „Kunst bezeichnet … Verrichtungen oder Darstellungen (z. B. Musizieren, Bemalung), die keinen unmittelbaren Nutzen zur Lebenserhaltung erkennen lassen“ (Wikipedia). Kunst braucht immer externe Finanzierung (Auftraggeber, Mäzene, Sammler u.a.).

      Etwas anderes ist es, mit den verfügbaren Mitteln klug umzugehen und Höchstleistungen anzustreben, in jeder Inszenierung, bei jeder Aufführung. Das könnte Rostock hier und da besser. Aber wo soll die Spielfreude, die Höchstleistung denn unter den gegebenen Umständen noch herkommen?

      Geht das Spielplanangebot wirklich am Interesse des Publikums vorbei? Wer kennt die Interessen des Publikums und wie hat er sie ermittelt? Wenn Sie hierzu Daten haben, legen Sie sie bitte auf den Tisch, Herr Schmidt, das könnte sehr weiterhelfen. Auch ich gehe nicht zu allen Inszenierungen, selbst wenn ich das bezahlen könnte. Aber offenbar ist weder die Theatermannschaft noch der Theaterförderverein daran interessiert, mit den Noch- und den potentiellen Theaterbesuchern ins Gespräch zu kommen. Weder über diesen Blog oder auf anderem Weg. Pauschale Unterschriften sammeln reicht wirklich nicht.

      Wenn Sie, Herr Schmidt, aus dem Beitrag von michaarlt vorrangig herauslesen, der Bürgermeister sei an der Theatermisere schuld, so haben Sie den Text zu oberflächlich gelesen. Der Autor vermittelt uns historische Fakten. Zudem steht ein (Ober-!) Bürgermeister nun einmal in der unverzichtbaren Pflicht, sich mit all seinen Möglichkeiten auch für das Theater einzusetzen. Das sollte damit beginnen, dass er fast keine Premiere versäumt. Und es kann nicht damit enden, dass er taggenaue Detailinformationen über alle Geldbewegungen kontrolliert… Wer solch ein Verhalten verteidigt, schadet letztendlich Rostock.

      „Das so traditionsreiche Volkstheater mit seinen 4 Sparten ist im Sterben“? Genügend Totengräber stehen offenbar bereit, aber noch gibt es genügend Hoffnung und Engagement. Wenn die ganz unmittelbar Betroffenen, also die Mitglieder des Volkstheaters, klug sind, dann erkennen sie, dass die zu recht genannten „Grabenkämpfe und Besitzstandswahrungen“ letztendlich nur in ihrem eigenen Nachteil enden können. Ein engagiertes Miteinander innerhalb des Ensembles und aktiver Einbezug des Publikums können zu einer schnellen Gesundung führen!

  2. Sehr geehrter Herr Schmidt,
    natürlich ist der Bürgermeister an der „Misere“ des Theaters nicht schuld, in der Demokratie gar nicht möglich, steht aber an der Spitze derer in der Verwaltung, die seit der Wende massiv versuchen das Theater klein zu reden, um es abschaffen zu können. Er steht sozusagen in einer Bürgermeisterkontinuität: angefangen bei Klaus Kilimann über Schröder bis hin zu eben Methling -an anderer Stelle bezeichnet als „Der Eine von Uns“-, der nichts von Theater versteht und einst die Frage stellte, ob Rostock überhaupt ein Theater benötige! Er ist so zusagen die Galionsfigur (um im Hanse-Sail Sprachgebrauch zu bleiben), die aussprechen muss, was ihm andere „soufflieren“! Dabei ist es schon lustig die verschiedenen Äußerungen zu lesen! Ich denke, dass Arlt genau die Dinge beschrieben hat wie sie sind!
    Ihr Zitat von Karl Valentin ist herrlich: Kunst ist wirklich schön und macht mehr Arbeit als Sie sich vorstellen können! Den Auftrag gegenüber der Gesellschaft und unserem Publikum haben wir stets sehr ernst genommen! Doch wenn man uns nicht arbeiten lässt, Geld und Personal wegnimmt, dann ist es nicht die Schuld der Macher oder der „hochdotierten“ Verantwortlichen! Alle sind Mitglieder des öffentlichen Dienstes und werden nach Tarif bezahlt. Woher kennen Sie die Gehälter der „Hochdotierten“? Ich kannte solches nie!
    Die von Ihnen beschriebene Misere ist in meinen Augen eine von der Verwaltung so gewollte: Zunächst wurden über 400 Mitarbeiter entlassen, bzw. ausgegliedert oder rausgeschmissen, Intendanten engagiert und alsbald rausgeschmissen mit hoher Abfindungsgarantie! Von keinem kenne ich wirkliches Fehlverhalten, aber sie brachten ihre ihnen vertrauten Mitarbeiter und Künstler mit, und dieses im Wechsel der Gezeiten! Wie wollen Sie da ein Ensemble formieren, das mit gleicher Stimme und gleichem Wollen agiert! Jeder Alteingesessene muss dem neuen Chef möglichst tief in die bewusste Gegend kriechen, um wahrgenommen zu werden! Ich bin davon überzeugt, dass Sie von den Strukturen des Theaters keine Ahnung haben, wahrscheinlich auch nicht haben wollen, um so beruhigt ihre Krämerseele ausleben zu können!
    Das Drama Volkstheater ist zum Glück noch nicht zu Ende, und im Sterben liegt es auch noch nicht! Nennen Sie mir bitte die Theater, die kreativer, flexibler und engagierter sind! Sprechen Sie über ein Spielplanangebot, das nicht am Publikum vorbei geht! In meinen 37 Jahren Theater gab es immer Einwände beim Spielplan!
    Wenn Sie ein Vierspartenhaus als „Besitzstandswahrung“ definieren sollten, dann haben Sie auch keinerlei Ahnung über dieses traditionsreiche Haus.
    KS Frank Brandau

    • Diesen Zeitungsartikel fand ich in meinen Unterlagen (Januar 2004) und befürchte heute, dass der Staatssekretär im Bildungsministerium und einstiger Rostocker Finanzsenator nun in der Lage ist, sein unten stehendes Sparprogramm umzusetzen, nicht ohne Hilfe seines Minister -Azubi Brodkorb als PR Mann! Interessant dabei: Die lautesten Widerständler Piontek und Schillen gibt’s nicht mehr

      “ Piontek beklagt „Fraktion der Kulturbanausen“
      Theater muss erneut ums Überleben kämpfen

      Stadtmitte (OZ) „Das ist kein Sparprogramm, das ist ein Kulturvernichtungsprogramm ohne Sinn und Verstand“, sagt Kultursenatorin (parteilos) zu Finanzsenator Sebastian Schröders (SPD) Sparplänen. Es sei legitim, in allen Bereichen nach Sparmöglichkeiten zu suchen, jedoch sei es „kein Stil, ganze Bereiche vom Tisch zu fegen“, sagt die Senatorin und listet diejenigen Einrichtungen auf, die durch Schröders „Brachialgewalt“ erheblichen Schaden nehmen würden.
      Eine Privatisierung des Konservatoriums würde eine erhebliche Reduzierung des Angebots mit sich bringen. Besonders heftig reagiert die Senatorin auf die einkalkulierte Einsparung von drei Millionen Euro beim Volkstheater. „Das ist die Schließung des Theaters“, empfindet Schillen. Ein solcher Plan widerspreche nicht nur den Voraussetzungen, aufgrund derer Generalintendant Steffen Piontek im vergangenen Jahr sein Amt angetreten habe, sondern auch den Beschlüssen der Bürgerschaft, durch die der Erhalt und auch die Gestalt des Theaters festgeschrieben sei. „In welchem Film befinden wir uns?“, fragte Frau Schillen und ist sich einig mit dem Generalintendanten. Der glaubt, dass es in der Stadtverwaltung und Bürgerschaft „eine überparteiliche Großfraktion von Kulturbanausen gibt, die versuchen, aufgrund der angespannten Haushaltslage, Fakten zu schaffen. „Ich werde auf ein hochwertiges Theaterangebot drängen. Die jetzt vorgelegten Zahlen zur Personalreduzierung kommen vom Mond“, zeigt sich der Generalintendant verärgert über die 79 geplanten Stellenstreichungen.
      Wenn Piontek den Vorstellungen widerstandslos folgen würde, könnte er nur noch ein kleines Schauspieltheater aufrechterhalten. „Das ist weder von der Bürgerschaft, noch von den Rostockern gewollt.“ Die Hansestadt pochte bislang immer auf ein Vierspartentheater.
      „Es wird durcheinander, aber nicht offen miteinander geredet“, kritisiert Piontek. Er glaubt, dass es an der Zeit sei, die Karten auf den Tisch zu legen. „Wer meint, dass Rostock kein Theater mehr braucht, möchte das bitte sagen“, fordert der Generalintendant.
      Oberbürgermeister Arno Pöker (SPD) hat sich bislang immer hinter das Theater gestellt und all jene zurückgepfiffen, die vor über einem Jahr schon einmal das Theater schließen wollten. Piontek hofft auf das Stadtoberhaupt. „Künstlerisch zu arbeiten ist nur unter planbaren Voraussetzungen möglich.“
      Die Abwicklung der städtischen Kultur würde den Haushalt nicht sanieren. Stattdessen werde sie jetzt herangezogen, um finanzpolitische Fehlentscheidungen der Vergangenheit zu korrigieren. „Wollen wir unseren Nachkommen eine Wüste mit ausgeglichenen Kassenbüchern überlassen?“, spitzt der Generalintendant zu. Kultur sei ein wichtiger Standortfaktor. „Sowohl die Kunst als auch die Künstler stehen nicht beliebig zur Disposition. Wir sind keine Tagelöhner, die man nach Hause schicken kann.“ Für Piontek ist das Papier Schröders ein „Dokument der Hilflosigkeit.“ Der Senator habe die falschen Berater. „Ich stehe zur Verfügung.“ Piontek schlägt einen Haustarifvertrag für die gesamte Stadtverwaltung vor, um finanziell Luft zu schöpfen.
      WOLFGANG THIEL

      • Wie anhaltend die Misere war, wie „Der Eine von Uns“ die Maximen des Herrn Schröder übernommen hat, zeigt ein Schreiben von mir vom 15.05.2007 an die Fraktionen der Bürgerschaft im Rostocker Rathaus, welches ich in diesem Blog zur Kenntnis geben möchte und dafür den Brief an die CDU Fraktion benutze. Ein befriedigendes Feedback erhiehlt ich lediglich von der Kultursenatorin Frau Schillen, ansonsten ein dummes Schreiben des kundigen Bürgers, der für die CDU in der Bürgerschaft saß.

        Frank Brandau Lange Straße 24 18055 Rostock

        An die Rostock, den 08. April 2013
        Fraktion der C D U
        Neuer Markt 1
        18055 Rostock

        Betreff: Haushaltskonsolidierung

        Sehr geehrte Damen und Herren,

        als Opernsänger, der von 1967 bis 2003 am Volkstheater engagiert war, muss ich meine Empörung und Enttäuschung und meinen Protest mit diesem Brief zum Ausdruck bringen. Es ist nun schon das 15. Jahr, in dem zum wiederholten Male die Existenz dieses Hauses in Frage gestellt wird!
        Als ich 1972 das erste Mal eine A-Statusbestimmung miterleben durfte, war anschließend ein starker Aufschwung sowohl personeller als auch künstlerischer Art zu verzeichnen: 60 Schauspieler, 25 Opernsolisten, 30 TänzerInnen, 40 Planstellen im Chor und 89 im Orchester! All die anderen Mitglieder, die für das Entstehen und Bewahren eines Theaterabends verantwortlich sind, kann ich gar nicht alle aufzählen. In summa waren das sehr produktive Jahre, in denen wir in der Lage waren, Opernproduktionen ohne Gäste mit eigenen Kräften zu realisieren! Es war ein A-Status für das gesamte Ensemble und frei von Neid und Profilierungssucht einer Sparte gegen die andere.
        Die zweite A-Statusbestimmung nach der Wende betraf leider nur das Orchester, was dem Ensemble gar nicht bewusst war und es dafür sogar „demonstrieren“ ging. Seit Jahren bedauere ich meine Teilnahme an dieser Veranstaltung, denn von diesem Moment an wurden sämtliche anderen Sparten, bis auf den Chor, der tarifrechtlich an den Status des Orchesters gebunden ist, massiv abgebaut!
        Schon der damalige Intendant Renne warnte davor, dass sich die Stadt kein Theaterorchester mit A-Status leisten könne, ohne dabei den Fortbestand der anderen Sparten des Theaters zu gefährden: Sein Rausschmiss mit fadenscheiniger Begründung und hoher Abfindungssumme war die Folge seiner Warnung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an weitere ungerechtfertigte Intendantenrausschmisse, die immer wieder „Neuanfänge“ am Theater provozierten: In kurzen Abständen ein Kommen und Gehen von Menschen, die jedes Mal das Fahrrad neu erfanden. In den Schauspiel- und Opernensembles gab es keine Kontinuität und keine oder nur geringe Ensembleentwicklung, was sich auf die künstlerische Arbeit und jedes Mal auf die Besucherzahlen auswirkte. Auch Rezensenten, so schien es, beteiligten sich beinahe programmatisch an der negativen Bewertung des Theaters!
        Selbst so genannte „Theaterstrukturkommissionen“, für die viel Geld verpulvert wurde, warnten vor den finanziellen Gefahren eines A-Orchesters und schlugen mehrheitlich ein gut funktionierendes Vierspartentheater vor.
        Ein Vierspartentheater „aus der Region, für die Region“, ein Theater, mit dem sich das Publikum identifizieren kann, es „seine“ Künstler kennt, sich mit ihnen freut oder auch leidet und immer gespannt ist, wie sich die/der Einzelne entwickelt und neue Aufgaben bewältigt, wie sich Sparten übergreifend Möglichkeiten, Synergieeffekte ergeben und neue künstlerische Ausdrucksformen entstehen können, Synergien mit anderen Kunst- und Kultureinrichtungen geschaffen und der Theaterjugendclub und die Schulen einbezogen werden! Das alles kann man nicht ersetzen mit der gedachten Variante, bei Opernbedarf Inszenierungen aus Polen, Dresden etc. „einzukaufen“.
        Will man dem Rostocker Publikum tatsächlich ein gut funktionierendes Theater vorenthalten, nur weil ein paar selbstverliebte und unrealistische Lobbyisten in dieser Stadt von einem großen Orchester träumen?
        Die Meinung des jetzigen Intendanten kenne ich nicht, doch die Bemühungen, ihn rauszuschmeißen deuten darauf hin, dass er sich ebenfalls nicht vor den Karren der Theatervernichtung spannen lässt.
        Einzig das Orchester durfte sich in den vergangenen Jahren seiner Imagepflege hingeben, teure Dirigenten als GMD installieren, teure Gäste für die Konzerte heranziehen und immer mal wieder an Selbständigkeit denken und mit extravaganten Plakaten dieses Denken auch demonstrieren. Kontinuität in der künstlerischen Arbeit ist natürlich eine Selbstverständlichkeit und Erfolg –ganz im Gegensatz zu anderen Sparten- logische Schlussfolgerung: Es wurde den Musikern leicht gemacht, sich als das Beste vom Theater oder gar vom Norden zu halten.
        Schon vier Jahre nach der Wende -1994- wurde der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass die Stadt am Schauspiel und am Orchester festhalten wolle, alles andere würde entlassen! Leider habe ich das Gefühl, dass man in der Stadtverwaltung wieder an diesem Punkt ist: Alte Pläne neu umzusetzen! Ein Einsparvolumen von 4 Mill. € – die höchste Summe für ein Amt in Rostock- dem Theater aufzudrücken, zeugt entweder von Unkenntnis oder es handelt sich, wie man es in anderen Bereichen sagen würde, um vorsätzlichen Mord an einer Institution mit langer Tradition, der man einst den schönen Titel „Bayreuth des Nordens“ gab.
        Bei einer Entfernung von knapp 100 km ist eine Fusion mit Schwerin sinnlos und lediglich Ausdruck von Technokraten beim Rechnungshof! Schwerin und Parchim wären möglich, Stralsund und Greifswald sind möglich, Rostock und Güstrow wären geradeso möglich, alles andere halte ich für Zweckpropaganda! Um ein reichhaltiges Theaterangebot dem Rostocker Publikum zu garantieren, muss noch einmal über die tarifrechtliche Variante diskutiert werden, die der Finanzsenator als eine Möglichkeit in der Presse anbot, wozu dann auch die Bildung einer GmbH und Haustarifverträge gehören. Selbstverständlich muss auch das Orchester mit einbezogen werden (möglicherweise mit Perspektive Status B): Es passen eh nur 60-X Musiker in den Orchestergraben. Was soll ein großes Orchester ohne die Bühne anfangen? Für drei Konzerte im Monat kann man Gäste holen oder Substituten aus der HMT, was den jungen Menschen Gelegenheit böte, Erfahrungen in einem Orchester zu sammeln. Der Hinweis auf dann ausbleibende „große Dirigenten und Solisten“ ist lediglich ein propagandistischer Trick des Orchestervorstandes.
        Auf keinen Fall aber darf sich das Orchester, e i n e Sparte des Theaters, über eine andere erheben. Dann könnten die Kollegen auch vergessen, dass es der Orchestervorstand selber war, der 2001/2002 der Stadt ein so genanntes eigenes Strukturpapier übergab, in welchem er vorschlug, das Musiktheater abzuschaffen etc.! Meine Meinung zu all diesen Dingen ist dem Orchestervorstand seit Jahren bekannt.
        Ich bitte Sie inständig, einer solchen oder ähnlichen Forderung der Stadtverwaltung nicht zuzustimmen und nach Wegen zu suchen, mit einem intakten Vierspartentheater vielfache künstlerische Angebote –Konzerte eingeschlossen- dem Rostocker Publikum zu garantieren.
        Unverständlich sind Aussagen des Oberbürgermeisters, dass im Jahre 2018 ein neues Theater stehen soll, Vereine gestalten Veranstaltungen und Benefizkonzerte (herrliche Idee) und sammeln Geld für das neue Theater, gleichzeitig aber ist man dabei, das existierende Theater zerschlagen zu wollen!
        Was einmal zerschlagen ist, kann man gar nicht oder nur sehr, sehr schwer wieder aufbauen! Oder meinen die Insider doch nur ein Konzerthaus?
        Die größte Stadt Mecklenburg-Vorpommerns, worauf sie mit Recht stolz sein kann, darf sich nicht die Blöße geben, auch hinsichtlich der Wirtschaft, Wissenschaft und des Tourismus, künftig ohne ein attraktives und künstlerisch vielseitiges Theater existieren zu müssen
        Nochmals meine Bitte und meinen Appell: Versagen Sie der Zerschlagung eines traditionsreichen Theaters Ihre Zustimmung!

        Mit freundlichen Grüßen!
        Frank Brandau

        Verteiler: Alle Fraktionen der Bürgerschaft, Bürgerschaftspräsidentin Liesel Eschenburg, Senatorin Ida Schillen

  3. Gutes Timing für ungute Interessen

    Am 20.3. erschien eine Pressemitteilung der SPD-Fraktion in der Rostocker Bürgerschaft. Darin heißt es: „Die SPD-Fraktion im Rostocker Rathaus hat sich auf ihrer jüngsten Fraktionssitzung … für einen Theaterneubau am Standort Am Bussebart ausgesprochen. – Damit will sie gegenüber der angekündigten Vorlage der Verwaltung auf einen städtebaulichen Wettbewerb für den Stadthafen verzichten. – ‚Unter sachkundiger Begleitung des Stadtplanungsamts haben wir intensiv das Für und Wider diskutiert‘, so Fraktionsvorsitzender Dr. Steffen Wandschneider. ‚Der Bussebart ist nach den vorliegenden Gutachten bereits jetzt der klar beste Standort.’… ‚Wir werden in der Bürgerschaft für eine schnelle Entscheidung für den Vorzugsstandort werben. Der mit dem Neubau eines Theaters verbundene schmerzliche Verlust von Flächen für den Weihnachtsmarkt oder Ostermarkt muss über neu auszuweisende Flächen aufgefangen werden,‘ so Dr. Wandschneider abschließend“.

    Was zunächst wie ein Entlastungsversuch für den Bildungsminister aussah, der ob seiner höchst unglücklichen Theaterpolitik zu recht sehr in die Kritik geraten ist, entwickelte danach eine Dynamik im Interesse des „Einen von Uns“.

    Eine Woche später, am 26.3., also kurz vor Ostern, meldete die OZ: „Die Rostocker Stadtverwaltung bringt Schwung in die Debatte zum Theaterneubau. Sie legt eine Beschlussvorlage für die Bürgerschaft vor, die einen Neubau in Rostock im Bereich Christinenhafen/Am Bussebart vorsieht. Damit wäre der lange favorisierte Rosengarten definitiv aus dem Rennen. – Der genaue Standort – Bussebart oder Stadthafen – soll im Rahmen eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs ermittelt werden. – Vor allem der Förderverein des Theaters ist erleichtert, dass die Stadt ein klares Zeichen setzen will.“

    Obwohl die sich am Rostocker Ostermarkt beteiligenden Schausteller kaum Kenntnisse über das hiesige Theaterdilemma haben dürften, tauchten prompt Transparente auf, dass der Bussebart für einen Theaterneubau tabu sein müsse, zugunsten der Schausteller!

    Mehr noch: Am Freitag, den 5.4., demonstrierten rund 50 Schausteller des Rostocker Weihnachtsmarktes lautstark auf dem Neuen Markt. Selbst der Präsident des DSB Deutschen Schaustellerbundes e.V., Herr Albert Ritter, war aus Essen (Wohnsitz) bzw. aus Berlin (Geschäftsstelle) extra angereist. Und die OZ konnte bereits am gleichen Tag um 15.24 darüber online berichten: „der größte Weihnachtsmarkt in Norddeutschland [verliere] seinen Charakter, wenn er in zwei Teile mit den Verkaufsständen und weit abgelegenen Fahrgeschäften getrennt wird.“

    Damit hat der „Eine von uns“ wieder seinen Lieblingsstandort als einzig in Frage kommenden benennen lassen. Dass seine persönliche Vorliebe wahrscheinlich mehr dem Rummelplätzen als dem Theater gilt, ist ganz allein seine Sache und sollte für die Stadtpolitik irrelevant sein. Aber wenn die Stadtpolitik den DSB für eine lautstarke Demo zugunsten des Lieblingsprojektes unseres OB benutzt, muss das zu denken geben! Denn der DSB lässt unter anderem verlauten: „Sie [die Schausteller] haben mehr Besucher als der öffentliche Kulturbetrieb mit Festspielen, Theatern, Oper, Musikschulen und Bibliotheken“. Mal abgesehen, dass das Unsinn ist, wenn man die Besucherzahlen für ein beliebiges Kalenderjahr und nicht nur für den aktuellen Zeitpunkt eines gerade stattfindenden „Rummels“ rechnet, ist es unsolidarisch, egoistisch und kulturfeindlich.

    Schade, dass sich das Volkstheater die Gelegenheit entgehen ließ, zeitgleich mit allen seinen Mitarbeitern, Freunden und Förderern sowie engagierten Besucherern ebenfalls und am gleichen Standort zu demonstrieren… Für den Erhalt des 4-Sparten-Theaters bis zur Verfügbarkeit eines Neubaues und für einen vernünftigen Standort! Da wären weit mehr als 50 Personen zusammen gekommen.

    Kurze Anmerkungen:
    1. Herr Albert Ritter ist NICHT Präsident des Deutschen Schaustellerverbandes, sondern steht dem Deutschen Schaustellerbund e.V. (DSB) vor. Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schausteller und Marktkaufleute e.V. (BSM) ist Herr Hans-Peter Arens. So viel Korrektheit sollte selbst von der OZ zu erwarten sein, aber durch ihre falsche Angabe nimmt sie quasi auch den an der Demo völlig unbeteiligten BSM mit in Haftung.
    2. „Natürlich“ wurde ein Leserkommentar zur SPD-Bürgerschafts-Presseerklärung nicht publiziert. Er hatte folgenden schlimmen Inhalt: „Die Existenz des Volkstheaters steht auf der Kippe und die SPD beschäftigt sich mit einem Theaterneubau. Selbst wenn er irgendwann realisiert wäre – es wird dann kein eigenständiges Theaterensemble mehr geben, wenn man es nicht JETZT bewahrt!“ So „unabhängig“ ist also nicht nur die OZ, sondern auch mvpo.de!
    3. Von den „Freunden und Förderern Volkstheater Rostock e.V.“ hört man leider immer nur dann etwas, wenn es um einen Theaterneubau geht (siehe oben zitierte OZ-Meldung vom 26.3.). Vielleicht sollte sich der Verein entsprechend umbenennen?

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