Bertold Brecht:
Über die Bauart Langdauernder Werke
1
Wie lange
Dauern die Werke? So lange
Als bis sie fertig sind.
So lange sie nämlich mühe machen
Verfallen sie nicht.
Einladend zur Mühe
Belohnend die Beteiligung
Ist ihr Wesen von Dauer, so lange
Sie einladen und belohnen.
Die nützlichen
Verlangen Menschen
Die kunstvollen
Haben Platz für Kunst
Die zur Vollständigkeit bestimmten
Weisen Lücken auf
Die Weisen
Verlangen Weisheit
Die langdauernden
Sind ständig am Einfallen
Die wirklich groß geplanten
Sind unfertig.
Unvollkommen noch
Wie die Mauer, die den Efeu erwartet
(Die war einst unfertig
Vor alters, vor der Efeu kam, kahl!).
Unhaltbar noch
Wie die Maschine, die gebraucht wird
Aber nicht ausreicht
Aber eine bessere verspricht
So gebaut sein muss
Das Werk für die Dauer wie
Die Maschine voll der Mängel.
2
So auch die Spiele, die wir erfinden
Sind unfertig, wir hoffen’s;
Und die Geräte, die zum Spielen dienen
Was sind sie ohne die Einbuchtungen, die
Von vielen Fingern stammen, jene Stellen,
scheinbar schadhaft,
Die die edle Form erzeugen;
Und auch die Wörter, die
Mit dem Benützern ihren Sinn
Oftmals wechselten.
3
Gehe nie vor, ohne zuvor
Zurückzugehen der Richtung wegen!
Die Frager sind es
Denen du Antwort geben wirst, aber
Die dir zuhören werden, sind es
Die dich dann fragen.
Wer wird sprechen?
Der noch nicht gesprochen hat.
Wer wird eintreten?
Der noch nicht eingetreten ist.
Deren Stellung gering erscheint
Wenn man sie ansieht
Das sind
Die Mächtigen von morgen
Die deiner bedürfen, die
Sollen die Macht haben.
Wer verleiht den Werken Dauer?
Die dann leben werden.
Wen erwählen als Bauleute?
Die noch Ungeborenen.
Frage nicht: wie werden sie sein? Sondern
Bestimme es.